Offener Brief an Landwirtschaftminister Cem Özdemir

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Heute habe ich nach vielen Gesprächen mit Mitgliedern unseres Vereins den offenen Brief an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir geschrieben. Man darf gespannt sein, ob und was als Reaktion kommt. Meine Erwartungen sind nicht allzu hoch - die aktuellen Winterverluste möchte ich aber nicht einfach so hinnehmen. Man muss es zumindest versuchen im Rahmen der Neuordnung der Regelungen zu Tierarzneimitteln eine Veränderung zu erreichen. Denn wer aufgibt, hat schon verloren...

### Offener Brief an Herrn Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ###

Sehr geehrter Herr Landwirtschaftsminister Özdemir, lieber Cem,

es ist schon viele Jahre her, dass wir im OV Ludwigsburg Kontakt hatten. Heute melde ich mich bei Dir in meiner Rolle als 1. Vorsitzender des Imkervereins Besigheim und Bienensachverständiger des Bezirks Bietigheim-Bissingen. Mein Thema sind die dramatisch hohen Winterverluste an Bienenvölkern in unserer Region.

Bereits im November 2021 kam eine auffällig hohe Anzahl an gemeldeten Bienenverlusten bei mir an. Ich habe daher im Dezember 2021 in meiner Rolle als 1. Vorsitzender eine Abfrage in Bezug auf Bienenverluste an die Mitglieder des Imkervereins Besigheim gesendet. Die Rückmeldungen der Mitglieder waren erschreckend. Viele Imkerinnen und Imker haben mehr als die Hälfte ihrer Bienenvölker verloren und besonders alarmierend war für mich, dass auch Imkerinnen und Imker mit mehrjähriger Erfahrung betroffen sind.

Am 03.02.2022 hatten die Bienensachverständigen des Landkreises Ludwigsburg eine Fortbildung unter Leitung des Veterinäramtes Ludwigsburg. Bei dieser Fortbildung war auch Dr. Neumann vom STUA Aulendorf (Staatliches Tierärztliches Untersuchungsamt Aulendorf). Auch ihm lagen bereits damals Meldungen von hohen Winterverlusten vor. Ich fragte ihn nach einer Prognose bezüglich der Winterverluste an Bienenvölkern 2021/2022. Seine damalige Antwort war: "…außergewöhnlich hoch, geschätzt 30% oder mehr".

Hauptursache der Winterverluste sind nach unserer Erfahrung der Befall durch die Varroamilbe. Die Imkerinnen und Imker in unserer Region bekämpfen diese Milbe überwiegend mit der Behandlungsmethode nach Empfehlung des Bieneninstituts der Uni Hohenheim. Wenn solch dramatische Winterverluste zu verzeichnen sind und selbst erfahrene Imkerinnen und Imker betroffen sind, dann ist dieses Konzept in Frage zu stellen.

Nach mehreren Gesprächen mit langjährig erfahrenen Imkern kommen wir zu der Meinung, dass viele Faktoren für diese dramatischen Winterverluste verantwortlich sein können - eine entscheidende Rolle aber der Klimawandel spielt. Durch die wärmeren Wintermonate gehen viele Bienenvölker im Winter nicht mehr aus der Brut und begünstigen damit deutlich die Vermehrung der schädlichen Varroamilbe. Die Winterbehandlung ist von entscheidender Bedeutung beim Kampf gegen die Varroamilbe.

Das von der Uni Hohenheim vorgeschlagene Konzept zur Behandlung gegen die Varroamilbe im Winter hat nur dann einen hohen Wirkungsgrad, wenn die Bienenvölker brutfrei sind. Dies ist bedingt durch den Klimawandel zunehmend nicht mehr der Fall. Eine mehrfache Anwendung der Behandlungsmethode wird von der Uni Hohenheim nicht empfohlen, da es zu hohen Bienenverlusten kommen kann. Als logische Konsequenz muss eine Behandlungsmethode angewendet werden, die den veränderten Rahmenbedingungen angepasst ist.

In südlichen Ländern von Europa bzw. wärmeren Regionen hat man dieses Problem schon länger. Dort wird die Oxalsäure-Verdampfung als Behandlungsmethode mit Erfolg eingesetzt - sie hat einen hohen Wirkungsgrad und kann aufgrund der guten Bienenverträglichkeit mehrmals im Winter angewendet werden. In Deutschland ist diese Methode nicht zugelassen. Der Deutsche Imkerbund (DIB) hat sich gegen die Oxalsäure-Verdampfung ausgesprochen. Als Begründung wurde die Gefährdung der Anwenderinnen und Anwender aufgeführt. Wissenschaftliche Untersuchungen wurden nach unserem Kenntnisstand vom DIB zur Untermauerung dieser Begründung nicht vorgelegt.

Dies stößt bei vielen Imkerinnen und Imkern auf Unverständnis, da es bereits 2004 eine wissenschaftliche Untersuchung der Universität Tübingen zu diesem Thema gab, die eindeutig andere Ergebnisse bezüglich der maximalen MAK-Werte hatte. Auch erscheint unverständlich, warum die Oxalsäure-Verdampfung in vielen Europäischen Ländern zugelassen ist, in Deutschland aber nicht. Durch die zunehmende Problematik der fehlenden Brutfreiheit in den Wintermonaten entsteht hierdurch auch ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für die Imkerei in Deutschland.

Aktuell werden mit Einführung des neuen Tierarzneimittelgesetzes die Regelungen überarbeitet. Nach unserer Wahrnehmung strebt man eine Vereinheitlichung der entsprechenden Regelungen in der EU an. Wir bitten in diesem Zusammenhang um eine fachlich fundierte Prüfung der Zulassung der Oxalsäure-Verdampfung in Deutschland, die auf wissenschaftliche Untersuchungen basiert und nicht auf Meinungen.

Zum Wohle unserer Bienen - und zum Nutzen unserer Landwirtschaft durch gute Bestäubung.

Informationsquellen:

Forschungsergebnisse der Versuchsimkerei Fischermühle zur Oxalsäure-Verdampfung (Feldversuch an 1509 Bienenvölkern) https://www.mellifera.de/download.html?f=imkerei%2FOS0110.pdf

Forschungsergebnisse der Universität Tübingen zu MAK-Werten bei Oxalsäure-Verdampfung

https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/44465/pdf/Arbeitssicherheit_Oxalsaeure_Varroatose.pdf?sequence=1

Mit freundlichem Gruß
Wolfgang Mallin
Vorsitzender BV Besigheim e.V.
Bienensachverständiger Bezirk Bietigheim-Bissingen

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